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Vegan-Hass zeigt, dass Tierleid uns berührt – Was wir aus ihm mitnehmen sollten und was nicht

Aktualisiert: 1. Jan. 2022

"Heute schon ins Gras gebissen?" – vielleicht habt ihr ja auch schonmal online oder offline erzählt, dass ihr vegan lebt, und direkt kritische oder sogar spöttische und beleidigende Kommentare dazu bekommen. Zum Teil kommen sie als Antwort auf ganz sachliche und freundliche Aussagen. Natürlich nicht immer – meiner Erfahrung nach sagen die meisten Leute nichts, oder sogar etwas Positives, wenn sie hören, dass ich vegan lebe. Aber diese negativen Reaktionen gibt es auch, und lange Zeit haben sie mich immer wieder verwirrt und belastet: "Warum in aller Welt wird man dafür angefeindet, dass man einfach nur Tiere in Ruhe lässt? Verursache ich mit meinem Veganismus doch irgendwie Leid, ohne es zu wissen, oder warum sonst die Kritik?" Obwohl ich von diesem "Hass" auf Veganer*innen selbst eigentlich noch gar nicht viel erlebt habe, habe ich festgestellt, dass er mir manchmal überwältigend erscheint und mich nicht loslässt, und dass ich nur schwer damit umgehen kann. Dabei gibt es eigentlich soooo viele Gründe, sich davon nicht entmutigen zu lassen! Deshalb dieser Beitrag, auch als Notiz an mich selbst.

Ich werde das Wort "Hass" oft in Anführungszeichen schreiben, warum, erfahrt ihr weiter unten.

Der Text ist sehr lang geworden, das Resümee aus jedem Abschnitt steht jeweils kurz in Grün dahinter.



1. Wie groß ist der "Hass" wirklich?

1.1 Unser Fokus auf den "Hass"

Manche Leute reagieren auf Veganismus mit Ablenung. Und manche Artikel, Witze oder Comics erzählen wiederum davon, dass manche Leute auf Veganismus mit Ablehnung reagieren. Das Corona-Infektionsrisiko sinkt so-und-so stark, wenn du eine Maske trägst, aber wenn du sagst, du seist Veganer, dann verschwindet es ganz, denn dann laufen alle vor dir weg. Es gibt Artikel mit der Überschrift "Warum Fleischesser Vegetrarier anfeinden"(1), "Why do people hate vegans?"(2), oder "Alle hassen veganer: Stress ohne Grund?"(3).

Der "Hass" auf Vegetarier*innen / Veganer*innen oder auf die vegetarisch-vegane Lebensweise wird viel thematisiert.

Ich finde es bereichernd, dass es psychologische Forschung dazu und entsprechende Veröffentlichungen gibt. Ich lese sie auch mit großem Interesse (weiter unten gehe ich übrigens sie ein). Von den Witzen über Vegan-Ablehnung fühle ich mich bislang nicht angegriffen, und viele andere auch Leute nicht, nein, ich kenne sie überhaupt erst, weil sie auch unter Veganer*innen erzählt werden.

Aber ich denke auch: All diese Berichte, Witze und Gespräche darüber, wie sehr und warum manche Leute vom Wort "vegan" abgeschreckt werden, lenken unsere Aufmerksamkeit – naja – logischerweise auf die Vegan-Ablehnung. Und wenn wir hauptsächlich über die Ablehnung lesen, reden und nachdenken, dann ist auch hauptsächlich die Ablehnung in unseren Gedanken. So bekommen wir leicht das Gefühl, die Welt sei voll mit Vegan-"Hass".


Vergessen wird oft, so befürchte ich, dass die Artikel über Vegan-Hass eben nur das beschreiben, was in manchen Menschen vorgeht. Und in anderen Menschen passieren andere Dinge: sie finden Veganer*innen bewundernswert oder haben keine Meinung über sie. Auch von diesen Menschen scheint es viele zu geben, siehe auch nächster Abschnitt. Warum zum Beispiel hätten laut einer Umfrage 20% der Brit*innen 2020 ein komplett veganes Weihnachtsmenü serviert (4), warum hätte sich die Zahl der Veganer*innen in Deutschland von 2016 bis 2020 verdoppelt (5), und warum wäre sie in den USA sogar von 2014 bis 2017 um 600 % gestiegen (6), wenn die Gedanken an veganes Leben nicht bei manchen Omnivoren auch positive Gefühle auslösen würden?


Und nun stellt euch mal vor, ihr würdet einen Bericht mit psychologischen Erklärungen darüber lesen, warum manche Menschen Veganismus toll finden. Ich glaube, nach so einem Bericht würden wir zumindest eine Zeit lang tendenziell das Gefühl haben, die Welt sei voller Vegan-Sampathie, und nicht voller "Vegan-Hass". Aber über diese positiven Gefühle wird selten berichtet, warum eigentlich?


Ich weiß die Antwort nicht. Vielleicht, weil die Vegan-Sympathie tatsächlich nicht so häufig ist wie der "Hass". Das kann sein. Vielleicht aber auch nur, weil der "Hass" von den "Hassenden" stärker und lauter ausgedrückt wird. Oder vielleicht, weil wir "Hass" generell einfach irgendwie als markanter wahrnehmen, und generell über Negatives stärker nachdenken und eher Erklärungen dafür suchen als für Positives.

Aber festhalten würde ich: es gibt in der Welt wohl beides, "Vegan-Hass" und Vegan-Sympathie. Und keins davon sollte von uns vergessen werden, auch, wenn wir über den Hass mehr zu lesen bekommen.


Ich denke, es besteht ohnehin die Gefahr, dass wir als Veganer*innen die Vegan-Sympathie in der Gesellschaft zu schnell ausblenden oder unterschätzen, und zwar aufgrund des sogenannten Negativity bias: Wenn wir ein negatives und ein positives Erlebnis der gleichen Intensität haben, dann hat das negative in der Regel einen stärkeren Einfluss auf unseren psychischen Zustand als das positive. Selbst, wenn wir also über "Vegan-Hass" in der Gesellschaft genausoviel hören würden wie über Vegan-Sympathie, würde der "Hass" unser Denken und Handeln wahrscheinlich stärker prägen. (7)


5 x "Like", 2 x "Love," und nur 1 x "Haha" – Aber ratet mal, über welche Reaktion ich am meisten nachgrübelte!

Ich war mit anderen auf einer Klima-Demo,

und wir hatten ein Vegan-Plakt dabei. Wir trafen drei Personen, die uns positiv darauf angesprochen haben, und eine, die gesagt hat: "In harten Zeiten werden Sie auch wieder richtig essen." Die Leute, die mit mir dort waren, reden bis heute über diesen Tag, aber es geht immer nur um die letztgenannte Reaktion.

Weil also so viel über die Vegan-Ablehnung gesprochen wird und uns ohnehin negativer Input oft stärker beeinflusst, besteht meiner Ansicht nach die Gefahr, dass wir die Ablehnung gegenüber Veganismus oft als größer wahrnehmen, als sie wirklich ist.

→ Wahrscheinlich schätzen wir den "Vegan-Hass" tendenziell zu groß ein.

→ Jede positive Reaktion auf Veganismus verdient mindestens genauso viel Platz in unseren Gedanken und Gefühlen wie jede negative! Machen wir uns das klar!




1.2 Eigentlich mehr Lob als Ablehnung, meiner Erfahrung nach

Ich selbst lebe seit sieben Jahren vegan, und seit über zweieinhalb Jahren versuche ich hin und wieder öffentlich darauf aufmerksam zu machen, wie sehr ein pflanzlicher Lebensstil uns, den Tieren und der Umwelt zugute kommen kann. Ich nehme an verschiedenen Demos teil oder organisiere in Gruppen Infostände oder Veranstaltungen mit veganem Essen, oder schreibe und spreche online darüber, zum Beispiel auf dieser Seite. Wie reagieren die Leute darauf? Meiner Erfahrung nach reagieren die meisten gar nicht, und wenn doch, dann öfter positiv als negativ. Das gilt für private Partys, berufliche Zusammenkünfte und fürs Auftreten in der Öffentlichkeit. Aber, wie gesagt, es handelt sich hier nur um meine persönlichen Erfahrungen (und ihr bemerkt vielleicht auf dieser Seite und auf YouTube, dass ich zumindest online allgemein noch gar nicht so viel Feedback habe, an dem ich das festmachen könnte).

Wir haben Info- oder Essensstände auf der Straße erlebt, an denen keine einzige Person vorbeigekommen ist und uns irgendetwas Herablassendes zugerufen hat. Aber viele, auch nicht-vegane Menschen kamen, die unser veganes Gebäck lobten, nach den Rezepten fragten, mehr über die vegane Ernährung wissen wollten. Auch bei Aktionsformen, die die Leute stärker mit dem Tierleid konfrontieren, trafen wir viele, die ihren Dank dafür aussprachen, dass wir auf die Zustände in der Tierwirtschaft aufmerksam machen, unsere Hände drückten und uns alles Gute wünschten, uns fragten, ob wir ein Spendenkonto oder eine Unterschriftensammlung dabei hätten, oder sich ehrlich betroffen zeigten von etwas, was sie noch nie so klar gesehen hatten und auf einmal nicht mehr unterstützen wollten.

→ Die Sympathie und Offenheit für Veganismus ist vielleicht verbreiteter und größer, als wir denken. Deshalb sollten wir auch mögliche positive Reaktionen im Blick behalten, wenn wir uns fragen, ob wir vegan werden oder uns als vegan outen möchten. Und deshalb könnten wir vielleicht mit mehr Hoffnung und weniger Resignation darüber nachdenken den Veganismus auch nach außen zu tragen.





2. Woher kommt der "Hass"?

Eigentlich ist das doch komisch: Warum wird man dafür beleidigt, dass man Tiere in Ruhe lässt?

Ich denke, negatives Feedback für ein Verhalten sollte man ja eigentlich nur dann bekommen, wenn man etwas falsch macht, oder? Also etwa, wenn man anderen Personen oder vielleicht auch sich selbst unnötig schadet. Indem man vegan lebt, schadet man aber eigentlich niemandem – im Gegenteil: man tut den Tieren, der Umwelt und oft auch der eigenen Gesundheit etwas Gutes.

Also, wenn eine vegane Lebensweise doch gar nicht mehr Schaden anrichtet als eine nicht-vegane, warum haben dann manche etwas gegen sie?

Naja, teilweise wahrscheinlich, weil manche Menschen glauben, Veganismus schade doch. Manche denken, man zerstöre mit veganem Essen z.B. seine Gesundheit oder den Regenwald. Andere glauben, man würde, weil man vegan ist, wahrscheinlich aggressiv und bevormundend mit Omnivoren umgehen, und diesen schaden. Abneigung gegenüber Veganismus, die aus solchen (z. T. falschen) Überzeugungen herrührt, nenne ich inhaltlich begründete Ablehnung.

Andererseits gibt es auch viele Kommentare, die gar nicht zum Inhalt haben, dass man mit seiner veganen Lebensweise irgendjemandem schadet. Sie sind eher einfach nur Beleidigungen. Aussagen wie "Welcher vernünftige Mensch ernährt sich denn vegan?" zum Beispiel, als Antwort auf eine Studie über positive Umweltfolgen pflanzlichen Essens, kann man nicht wirklich entnehmen, was sie eigentlich kritisieren, oder? Sie sagen nicht aus, dass oder warum veganes Leben jemandem schaden sollte, zumindest sehe ich nicht, wie. Es sind keine Argumente oder Behauptungen mit wirklichem Bezug auf das, worauf sie antworten. Viele negative Reaktionen beziehen sich also nicht auf die Angst vor möglichem Schaden durch Veganismus, oder darauf, dass an Veganismus irgendetwas falsch ist. Aber sie kommen trotzdem. Warum?

Ich glaube, es ist möglich, zwei Arten von Vegan-Ablehnung zu unterscheiden: Erstens: inhaltlich begründete Ablehnung, und zweitens: Ablehnung als psychologischer Schutzmechanismus. Im Folgenden werde ich genauer erläutern, was ich damit meine. Sicherlich kann man beide nicht immer klar voneinander trennen, ich glaube, das sie oft in einer Person zusammenkommen, wie wir sehen werden.




2.1 Inhaltlich begründete Vegan-Ablehnung

Denken wir doch alle mal kurz an irgendetwas, worin wir uns ziemlich sicher sind. Nehmen wir zum Beispiel die Aussage: "Rauchen ist für Kinder sehr gesundheitsschädlich." Wahrscheinlich sind viele Menschen überzeugt, dass diese Aussage wahr ist. Was würden wir nun tun, wenn wir eine Person sähen, die ihr dreijähriges Kind bereits zum Kettenraucher gemacht hat? Was würdet ihr über dieses Elternteil sagen und denken? Womöglich doch nicht nur den sachlichen Satz: "Das ist ungesund, denn Zigaretten enthalten folgende Stoffe und diese schaden der Lunge ...", sondern in einigen von uns würde diese Person wahrscheinlich auch Wut auslösen, oder? Wir würden denken: "Wie kann man seinem Kind nur so etwas antun?", und – vielleicht würden wir auch beleidigende Worte für dieses Elternteil finden.

Nicht alles, was wir (zurecht oder zu unrecht) schlecht finden, drücken wir Menschen immer in Form von sachlicher und konstruktiver Kritik aus. Besonders vielleicht, wenn es aus unserer Sicht sehr offensichtlich sehr schlecht ist, und wir kein Verständnis dafür haben, dass es trotzdem passiert.

Ich denke immer, manchen vegan-kritischen Personen geht es vielleicht ganz ähnlich. Stellen wir uns jemanden vor, der von der These "Veganes Essen zerstört den Regenwald" genauso überzeugt ist, wie wir davon, dass Kettenrauchen Kinder krank macht. Eigentlich erscheint es mir naheliegend und auch verständlich, wenn diese Person sich über Veganer*innen ärgert: Sie glaubt wirklich, dass Veganer*innen vielen individuellen Tieren, seltenen Spezies und einem sehr wichtigen Ökosystem größeren Schaden zufügen als die nicht-veganen Personen, und sich dabei aber noch toll fühlen. Da kann man sich ärgern. Und leider sind einige solcher sachlich falschen vegan-kritischen Theorien immer noch weit verbreitet.

→ Wenn eine Person sich mit inhaltlicher Begründung negativ über Veganismus äußert, machen wir uns klar, wie es für diese Person sein muss, auf dem Informationsstand zu sein, auf dem sie ist. Der Grund dafür, dass sie uns kritisiert, ist das, was sie (fälschlicherweise) über Veganismus glaubt. Vielleicht finden wir ihren Ärger verständlicher, wenn wir uns das klar machen.

→ Kritik oder Beleidigungen, die deshalb kommen, weil das Gegenüber falsch informiert ist, müssen uns nicht an unserem Veganismus zweifeln lassen, solange wir eben wissen, dass das, was das Gegenüber über Veganismus glaubt, falsch ist.


Natürlich beruht nicht jede Kritik, die wir im Leben bekommen werden, auf falschen Überzeugungen beim Gegenüber. Manchmal hat das Gegenüber recht. Vielleicht gibt es auch Veganismus-kritische Überzeugungen, die wahr sind oder an denen etwas Wahres dran ist. Inhaltlich begründete kritische Kommentare anderer Menschen sollten uns also nur dann gänzlich unberührt lassen, wenn wir ziemlich genau wissen, dass sie falsch oder nicht fundiert sind.

Eine mögliche Reaktion auf inhaltlich begründete Vegan-Ablehnung könnte sein, dass man das Gegenüber fragt, woher es denn seine Informationen hat. Vielleicht lassen beide sich auf eine sachliche Diskussion ein und sind offen für die Argumente des anderen. So können sie Studien und Informationsquellen vergleichen und herausfinden, welche Argumente am Ende haltbarer sind. So weiß man vielleicht nach dem Gespräch mehr. Eine Diskussion kann uns und / oder das Gegenüber bereichern, informieren, und dabei helfen, für uns, Tiere und Umwelt das Richtige zu tun. Daher können Kommentare und Kommunikation ganz allgemein natürlich sehr wertvoll sein. Wahrscheinlich am meisten, wenn sie freundlich und sachlich sind. Manchmal gibt unser Input den anderen zu denken, und manchmal der der anderen uns.


Wenn uns, ganz allgemein bei irgendeinem Thema, neue Informationen und Argumente einmal fundierter und stichhaltiger erscheinen als das, wovon wir bisher überzeugt sind, sollten wir dafür offen bleiben, unsere Ansichten zu ändern. So kommen wir der Wahrheit näher.


Das gilt natürlich auch für die (noch) nicht veganen Menschen: Wenn jemand bestimmte falsche Überzeugungen hat, ist seine Ablehnung gegenüber Veganismus vielleicht nachvollziehbar (und gar nicht so kritikwürdig). Doch kritikwürdig ist die Person dann, wenn sie unempfänglich für Gegenevidenz ist. Also, wenn sie weiterhin schlecht über Veganismus denkt und redet, nachdem sie schon viel Fundiertes gehört hat, was ihre Argumente gegen den Veganismus eigentlich wiederlegt.

Angenommen, eine Person hat einmal gehört, dass Veganer*innen viel Soja essen und dieses in Regenwaldgebieten angebaut wird. Deshalb ist sie überzeugt davon, dass veganes Essen den Regenwald zerstört. Nun verbringt diese Person aber ein paar Tage bei veganen Bekannten und stellt fest, dass diese kaum Sojaprodukte essen. Dann läuft sie durch ein Geschäft und liest auf den Verpackungen von Tofu und Sojamilch, dass die dafür verwendeten Sojabohnen aus Europa kommen. Dann sieht sie eine Sendung darüber, dass das meiste Soja aus dem Regenwald im Tierfutter landet, und dass außerdem die größten Flächen für die Gewinnung von Weideland gerodet werden. Vielleicht liest sie auch von den Wissenschaftler*innen in Oxford, die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Veganismus eigentlich der effizienteste Weg sei, um der Umwelt weniger zu schaden. (10) Jetzt hat die Person viele glaubwürdige Indizien gesammelt, die gegen ihre These "Veganer*innen zerstören den Regenwald" sprechen. Ihre Indizien für diese These sind hingegen schwach: Sie hat nur irgendwann einmal gehört, Veganismus schade dem Regenwald, ohne Belege oder dergleichen. Wenn sie rational ist, glaubt sie jetzt das, wofür sie stärkere Indizien hat. Das heißt, sie ändert vielleicht ihre Ansicht über Veganismus und den Regenwald, und hört deshalb auch auf, schlecht über den Veganismus zu reden.

→ Wenn jemand die vegane Lebensweise ablehnt, weil er zu wenig oder falsch über sie informiert ist, kann es nützlich sein, ihm sachlich und freundlich möglichst wissenschaftlich fundierte Argumente nahezulegen.


Ändern gute Argumente die Einstellung der Person auf jeden Fall? Wie erwähnt, leider nicht. Manchmal halten wir lieber an einer Überzeugung fest, auch, wenn wir immer mehr Indizien bekommen, die gegen sie sprechen. Gerade in Fällen, in denen es uns Überwindung kostet, unsere Einstellung zu ändern. Denn: Was macht es mit uns beispielsweise, wenn wir die ganze Zeit gerne Fleisch gegessen haben, und uns aber auf einmal davon überzeugen, dass wir damit großes Tierleid und Umweltzerstörung mitverursachen, und auch noch gänzlich unnötig? Ich denke, viele wollen nicht mit dem Gedanken leben, dass sie unnötiges Leid verursachen, aber schrecken gleichzeitig davor zurück, selbst vegan zu werden, weil sie es sich zu schwierig und unbequem vorstellen. Deshalb suchen sie Argumente dafür, dass Veganismus auch in irgendeiner Form schädlich sein könnte. Diese Argumente beruhigen das Gewissen: "Die Veganer*innen sind auch nicht besser zu Tieren und Umwelt als ich." Doch weil sie so beruhigend sind, will man nicht, dass diese Argumente wiederlegt werden. Also blendet man Gegenindizien und Gegenargumente aus, auch, wenn sie sehr gut sind. Vielleicht verspottet man sie sogar umso stärker, je besser sie sind, um sie klein zu machen.

→ Wenn jemand über Vegan-Argumente oder -Studien lacht, heißt das nicht, dass sie falsch sind oder er es unbedingt besser weiß.


Und hier sind wir an einem Punkt, an dem inhaltlich begründete Vegan-Ablehnung, und Vegan-Ablehnung als psychologischer Schutzmechanismus zusammenkommen: Man lehnt Veganismus zwar immer noch wegen inhaltlicher Argumente ab. Aber an diesen Argumenten hält man deshalb so stark fest, weil man sein eigenes Gewissen und Selbstwertgefühl dadurch schützen will, und nicht etwa, weil man viele der verfügbaren Informationen geprüft hat und diese Argumente einem schlussendlich am plausibelsten erscheinen.




2.2 Vegan-Ablehnung als psychologischer Schutzmechanismus

Wie bereits gesagt: viele Menschen möchten keine Tiere zum Leiden bringen oder töten, aber trotzdem genießen sie es, ihre Körper zu essen. Dies wird auch als das sogenannte Fleisch-Paradoxon bezeichnet. Der Sozialpsychologe Benjamin Buttlar forscht an der Universität Trier zu diesem Thema. Er geht davon aus, dass das moralische Grundprinzip nicht töten und kein Leid zufügen zu wollen erstmal für alle Menschen gilt, unabhängig vom kulturellen Hintergrund. Dennoch sind Menschen dazu in der Lage, Tiere zu essen, weil sie bestimmte Strategien entwickeln, um sich von ihren eigenen moralischen Standards zu lösen. Dazu gehört, dass sie das "Produkt" auf dem Teller in der Vorstellung von dem Tier trennen. Sie verdrängen, dass es ein hochkomplexes, feinfühliges Wesen war, vergleichbar mit dem geliebten Hund. Dabei helfen Begriffe wie "Nutztier". (8) Psychologen um Brock Bastian von der Universität Queensland zeigten, dass dieses Verdrängen nun aber auf einmal nicht mehr so gut funktioniert, sobald ein*e Vegetarier*in in der Nähe ist. (1, Personality and Social Psychology Bulletin, online).

Deshalb wühlt allein schon die Anwesenheit von Vegetarier*innen oder Veganer*innen manche fleischessende Personen auf. In diesem Moment können sie unterschiedlich reagieren, viele zeigen Wut, Abwertung, Spott oder Hass. Und zwar nicht auf sich selbst, sondern auf denjenigen, den sie als Schuldigen ausmachen – also den*die Vegetarier*in. Manche fangen an, sich zu rechtfertigen, Fleischessen sei schließlich normal und nahhaft. Diese Argumente dienen aberpsychologisch gesehen vor allem auch dazu, sein positives Selbstbild zu schützen, erklärt Psychologe Dr. Heidbrink von der FernUni Hagen. Die Diskussion dreht sich also nicht um Inhalte. Es geht darum, dass wir eine Diskrepanz zwischen unserem Selbstbild und unserem gutem Gewissen wahrnehmen. Doch dies findet oft allein schon in den Köpfen der Fleischesser*innen statt, ohne, dass das vegetarische oder vegane Gegenüber irgendetwas gesagt oder getan hätte. (3)


Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Julia Minson von der Universität Pennsylvania und Benoît Monin von der Universität Stanford in zwei Studien: Dass die meisten Vegetarier*innen aus ethischen Gründen auf Tierprodukte verzichten, qualifiziere sie zum Status einer Minderheit, deren moralischer Anspruch über den der gesellschaftlichen Mehrheit hinausweise. Deshalb fühlen fleischessende Personen sich von ihnen moralisch verurteilt und zu schlechten Menschen degradiert. Auch, wenn die vegetarische oder vegane Person vielleicht gar nichts sagt. Und Attacken auf ihr positives Selbstbild wehren Menschen ab, indem sie die vermeintlichen Angreifer*innen lächerlich machen. (1, Social Psychological and Personality Science, Bd. 3, S. 200, 2012)

Ich bin nicht sicher, ob die letztgenannten Studien auch eine Aussage über den folgenden Punkt machen: Fühlen die fleischessenden Menschen sich von den Vegetarier*innen abgewertet, während sie mit sich selbst im Reinen sind? Oder ist ihr Problem auch, dass sie glauben, die Vegetarier*innen könnten recht haben? Doch die vorher zitierten Psychologen meinen, wie gesagt: was in ihnen hochkommt, ist auch ein eigener innerer Konflikt, ein eigenes Problem damit, dass sie Tiere töten. Und die Veganer*innen und Vegetarier*innen erinnern sie daran. Deshalb also Spott und "Hass"-Kommentare.


Die Anwesenheit von einer vegan oder vegetarisch lebenden Person scheint also schon auszureichen, um in Fleischesser*innen eine innere Unruhe auszulösen. Und teilweise führt deshalb unsere bloße Anwesenheit auch schon dazu, dass wir angegriffen werden. Doch die "Hass"-Reaktionen sind oft eigentlich Selbstbild-Schutz-Reaktionen oder Unsicherheits-Reaktionen. Deshalb habe ich "Hass" in Anführungszeichen gesetzt. Weil es bei ihm oft nicht um das Handeln der Veganer*innen geht, das schlecht gefunden wird, sondern um den inneren Konflikt der Fleischesser*innen. Sie fühlen sich unwohl, wenn sie mit Veganismus konfrontiert werden. Aber nicht, weil sie denken, dass Veganismus schlecht ist, sondern weil sie spüren, dass er gut ist. Dass ihre Emotionen hochkochen, ist ein Zeichen dafür, dass das Leiden der Tiere sie in Wirklichkeit berührt. Und deshalb hat es doch sogar etwas Gutes und Beruhigendes, finde ich.

Ich kannte mal jemandem, der mit seinen Freunden über einen Veganer aus der Clique gelacht, und die Facebook-Beiträge dieses Veganers auch oft sehr gereizt kommentiert hat. Als er einmal unter ein Tiertransporter-Video "Lasst uns die Nutztiere in den Wald werfen" geschrieben hatte, habe ich, als damalige Vertrauensperson, ihn mal gefragt, warum er das eigentlich macht. Und er sagte tatsächlich traurig: "Weil mir die Tiere leidtun." Später ist er selbst Vegetarier geworden.

→ Vegan-Ablehnung als psychologischer Schutzmechanismus hat wenig mit den Veganer*innen selbst, sondern oft mehr mit einem inneren Konflikt der Fleischesser*innen zu tun. In diesem Fall ist sind Angriffe oft ein Zeichen dafür, dass das Leid der Tiere und ihr eigener Einfluss darauf ihnen in Wirklichkeit nicht egal ist. Somit könnte man velleicht sogar sagen: manche "Hass"-Reaktionen sind ein gutes Zeichen.





3. Wie können und sollten wir mit dem "Hass" umgehen?

3.1 Was sollten wir aus Vegan-Hass-Kommentaren mitnehmen?

Was sollen die "Hass"-Kommentare mir also sagen? Ich hatte immer gedacht: Negative Reaktionen sollten eigentlich nur dann kommen, wenn man etwas Schlechtes tut. Früher haben mir Beleidigungen und Spott wegen meines Veganismus deshalb sehr zu schaffen gemacht. Denn bei jedem "Hass"-Kommentar hatte ich das Gefühl, dass ich anscheinend jemandem geschadet oder etwas falsch gemacht haben müsste, denn sonst wäre der Kommentar ja wohl nicht gekommen. Doch, wenn ich mich in den vorherigen Abschnitten nicht irre, gibt es ja nun gute Gründe, sich von solchen Reaktionen nicht fertigmachen oder einschüchtern zu lassen. Denn: Wenn ein "Hass"-Kommentar daher kommt, dass das Gegenüber falsch informiert ist, weist er natürlich auch nicht wahrheitsgemäß darauf hin, dass ich wirklich etwas falsch mache oder jemandem schade. Wenn ich nicht sicher bin, ob etwas Wahres an ihm dran ist, dann hat er mich zumindest dazu gebracht, zu recherchieren und mir über irgendein Thema sicherer zu werden oder anders zu denken.

Und wenn ein "Hass"-Kommentar ein psychologischer Schutzmechanismus ist, dann dient er dazu, die entsprechende Person zu beruhigen, und ebenfalls nicht dazu, zu zeigen, dass ich etwas falsch mache. Mein Veganismus erinnert die andere Person daran, dass sie eigentlich auch keine Tiere töten will. Eigentlich stimmt sie also mit mir überein. Also zeigt der "Hass"-Kommentar ja vielleicht sogar, dass ich etwas richtig mache (sogar aus ihrer eigenen "eigentlichen" Sicht)?


Leider werden Menschen ja öfter für irgendetwas beleidigt, ausgelacht oder diskriminiert, womit sie nichts falsch machen. Womit sie niemandem schaden, und wovon das Gegenüber auch vielleicht noch nicht einmal glaubt, sie würden damit jemandem schaden. Sei es unser Kleidungsstil, Tattoos, die Entscheidung, mit wem wir knutschen, oder eine vegane Ernährung. In all diesen Fällen kann man sich fragen: haben die Kommentare etwas damit zu tun, dass ich wirklich jemandem schade? Ist in den Aussagen irgendetwas drin, was mich an dem zweifeln lässt, was ich mache? Nein, eigentlich doch meistens nicht. Was uns an diesen Aussagen verletzt, ist eigentlich nur, dass jemand sie macht, aber nicht ihr Gehalt, denn den haben sie oft gar nicht, oder wir wissen, dass er falsch ist.

Sehr viele "Hass"-Kommentare haben nichts damit zu tun, dass irgendetwas an uns nicht stimmt! Deshalb müssen sie uns nicht in gleicher Weise berühren, wie uns sinnvolle oder berechtigte Kritik berühren müsste. Sie haben nichts damit zu tun, dass wir jemandem schaden oder etwas falsch machen würden!

→ Hasskommentare sind oft keine sinnvolle / gehaltvolle Kritik. Sie haben oft keinen Inhalt, der sich auf tatsächliche Fehler in unserem Handeln bezieht. Also sind sie kein Zeichen dafür, dass wir anderen schaden oder etwas falsch machen. Deshalb müssen und sollten sie uns weder traurig machen noch ändern!




3.2 Sollte ich aus Angst vor Ablehnung meinen eigenen Veganismus überdenken?

Weil wir die Ablehnung als so groß einschätzen, kann es vorkommen, dass wir aus Angst vor Witzen oder Beleidigungen nicht vegan werden, oder zumindest niemandem etwas davon erzählen, dass wir uns umgestellt haben (wie ich am Anfang!). Oder es kann sein, dass wir beim Ausgehen mit anderen Leuten unseren Veganismus verstecken und vielleicht eine Ausnahme machen und etwas Nicht-Veganes essen. Wir haben Angst, andere zu nerven oder angegriffen oder ausgelacht zu werden, und essen deshalb Tierprodukte. Sogar, wenn wir eigentlich wissen, dass der "Hass" nichts damit zu tun hat, dass wir etwas falsch machen, sondern eher daher kommt, dass das Gegenüber durch unseren Veganismus an einen eigenen inneren Konflikt erinnert wird.

Das ist verständlich. Aber andererseits ist es eigentlich auch sehr unproportional, wenn man sich Folgendes vor Augen führt: Selbst, wenn der "Hass" so groß wäre, wie wir ihn einschätzen: Wir schaden den "Hater*innen" nicht, wenn wir vegan leben. Unser Ernährungs- uns Konsumverhalten hat einen lebenswichtigen Einfluss auf die Tiere, die Umwelt und unsere eigene Gesundheit. Aber es hat praktisch gar keinen Einfluss auf das Leben der Menschen, die es im Internet oder auf Partys herablassend kommentieren. Oder? Wenn wir wegen der Tiere vegan leben, helfen wir den Tieren. Wenn wir wegen "Hater*innen" nicht vegan leben, helfen wir eigentlich niemandem. Warum sollten wir unsere Ernährung also gerade an denen orientieren, die sie am wenigsten betrifft? Nur, weil sie so laut sind?

Natürlich kann der "Vegan-Hass" uns verletzen. Deshalb möchten vielleicht manche nicht vegan leben, um sich selbst zu helfen. Auch das wäre sehr verständlich, aber es hätte auch etwas Trauriges. Denn es sind nicht wir, die etwas falsch machen, wenn "Hass" kommt. Wenn es stimmt, was die oben genannten Psycholog*innen sagen, sind die Fleischesser*innen ja oft noch nicht einmal wirklich der Meinung, wir machten etwas falsch, zumindest von ihrer Intuition her. Deshalb sollten auch nicht wir uns anpassen müssen. Ich denke, wir sollten stattdessen versuchen auf den "Hass" nicht zu hören und seine Ursachen verstehen.

→ Unsere Ernährung beeinflusst stark das Wohl der Tiere, die Umwelt und unsere eigene Gesundheit. Sie beeinflusst aber kaum die Leute, die sie kommentieren. Deshalb sollten wir es von vielem, aber nicht von (eventuellen) herablassenden Kommentaren abhängig machen, ob wir vegan leben!




3.3 Das Problem mit unproportionaler Angst vor dem "Hass"

Dass der Vegan-"Hass" vielleicht oft als größer und vielleicht "wirklicher" empfunden wird, als er eigentlich ist, finde ich problematisch und gefährlich. Denn die Angst vor dem Hass kann uns einschränken. Es sollte doch nicht sein, dass Menschen Angst bekommen, sich als vegan zu outen, weil sie meinen, das mache sie bei den meisten anderen unbeliebt. Besonders, wenn es sie in Wirklichkeit gar nicht unbeliebt machen würde. Es sollte auch nicht sein, dass in Umweltschutzgruppen gesagt wird: "Lasst uns nicht so viel in Richtung Veganismus machen, das wäre zwar wichtig und richtig, aber es schreckt die Leute ab." (Ich habe es erlebt.) Die wahrscheinlich überproportionale Angst vor "Vegan-Hass" schadet nicht nur den Veganer*innen selbst, sondern auch der veganen Bewegung. Sie kann uns davor hemmen darauf aufmerksam zu machen, wieviel Veganismus der Welt bringt. Und nochmal: er bringt eine ganze Menge! Laut einer Oxford-Studie ist er der "alleinig größte Weg", unseren negativen Einfluss auf den Planeten zu verringern! (9) Und der Tierschutz kommt natürlich noch dazu.

Robert Swan sagte mal: „Die größte Gefahr für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn rettet.“ Und ich glaube: Die vielleicht zweitgrößte Gefahr für unseren Planeten ist der Glaube, dass die anderen gegen uns sind, wenn wir versuchen ihn zu retten.

Deshalb ist es wichtig, nicht zu resignieren sondern ein realistischeres Bild davon zu bekommen, wie gut veganer Aktivismus die Menschen wirklich erreicht. Wir sollten uns fragen, ob wir den "Hass" womöglich über- und die positive Resonanz unterschätzen. Zweitens sollten wir uns fragen, was daraus folgt, dass Menschen den Veganismus teils nur deshalb ablehnen, weil er sie mit einem eigenen inneren Konflikt konfrontiert: In diesem Fall kommen "Hass"-Reaktionen nämlich nicht aus Unverständnis, sondern eher umgekehrt: sie kommen, weil das Thema Veganismus die eigene Moral der Leute anspricht. Immer wieder von Veganismus zu hören bringt sie also zum Nachdenken über sich selbst.

→ Vielleicht sollten wir nicht aufhören über Veganismus zu reden, weil wir "Hass" befürchten, sondern mehr über ihn reden, weil wir auch Sympathie erwarten können, oder zumindest erwarten können, dass wir andere zum Nachdenken bringen. Angst vor "Hass" sollte die vegane Bewegung nicht bremsen, erst recht nicht, wenn sie unproportional ist!




3.4 Sollten wir von Ablehnung ausgehen, wenn wir neue Menschen treffen?

Oben habe ich geschrieben: es sollte nicht sein, dass Menschen sich aus Angst vor Ablehnung, Spott und Beleidigung nicht als vegan outen, wenn sie Fleischesser*innen treffen. Doch umgekehrt haben die Fleischesser*innen bei dieser Begegnung teilweise auch Angst: und zwar davor, moralisch verurteilt zu werden, wie die Minson-Monin-Studien zeigen. Vielleicht kann man sagen: manche Menschen lehnen Veganer*innen deshalb praktisch prophylaktisch ab, weil sie Angst haben, selbst abgelehnt zu werden. Doch das vegane Gegenüber, das vielleicht schon Vegan-"Hass" erlebt hat, fürchtet ebenfalls Ablehnung und entwickelt deshalb ebenfalls Angst und Härte. So kann es zum Beispiel auch passieren, dass wie als Veganer*innen einen tatsächlich gar nicht so böse oder offensiv gemeinten Witz zu schnell als Angriff werten. Ich denke, in solchen Situationen besteht die Gefahr, dass beide in einen unnötigen Ablehnungs-Teufelskreis einsteigen, einfach nur, weil jeder Angst vorm negativen Urteil des anderen hat und sich deshalb lieber gleich mental Rüstung und Waffen anlegt.


Es gibt zwei Dinge, die vor diesem Teufelskreis schützen:

Erstens: Wir zeigen der anderen Person, dass wir sie nicht ablehnen.

→ Wenn eine nicht-vegane Person erfährt, dass du vegan lebst, kann es sein, dass sie sich deshalb verunsichert fühlt und Angst hat, dass du sie verurteilen wirst. Erinnere dich an dein früheres fleischessendes Ich und zeige, dass du nicht gegen sie bist. Damit ihr offener und unbefangener miteinander reden könnt.


Zweitens: Wir unterstellen der nicht-veganen Person auch nicht, dass sie uns ablehnen wird. Wenn ich mich in mein früheres fleischessendes Ich hineinversetze und mir vorstelle, damals hätte jemand in meiner Gegenwart gedacht: "Oh, sie isst Fleisch. Da sage ich lieber nicht, dass ich vegan lebe, sonst wird sie mich noch auslachen oder irgendetwas gegen mich haben.", dann fühle ich mich unwohl. Ich möchte doch nicht, dass Leute Angst vor meinen Reaktionen haben, und wollte das auch damals nicht. Ich hätte damals auf keinen Fall gewollt, dass vegane Menschen davon ausgehen, dass ich sie verspotten oder beleidigen werde. Oder gar, dass sie aus Angst davor eine Ausnahme machen und etwas Tierisches essen, weil ich dabei bin. Trotzdem denke ich selbst heute manchmal so, wenn ich einer fleischessenden Person begegne: Ich unterstelle ihr bzw. halte es für wahrscheinlich, dass sie mich oder meinen Veganismus ablehnen wird. Und deshalb erwähne ich ihn nicht.

Dabei ist diese Unterstellung doch vielleicht noch nicht einmal so nett, oder? Ich unterstelle jemandem, dass er etwas gegen mich hat, weil ich Tieren nicht wehtue. Irgendwie eine komische Unterstellung. Das will ich eigentlich niemandem unterstellen. Auch, wenn es psychologisch erklärbar wäre.

→ Vielleicht wäre es im Grunde vertrauensvoller, anderen Personen nicht zu unterstellen, dass sie etwas gegen uns haben werden, weil wir Tieren nicht wehtun. Vielleicht dürften wir nicht-veganen Leuten mit weniger Angst und mehr Vertrauen begegnen, und uns wagen uns als vegan zu outen, auch um ihnen nicht unrecht zu tun.





4. Selbst, wenn ehrlicher Hass da ist / wäre ...

Okay, aber denken wir kurz mal an den worst case. Nehmen wir zum Schluss noch einmal an, dass alles, was ich gesagt habe, falsch ist. Nehmen wir mal an, in Wirklichkeit gäbe es doch sehr viel Hass auf Veganer*innen, und es wäre echter Hass, nicht nur eigene innere Konflikte. Was sollte daraus folgen für unser Handeln?

Ich weiß, es ist schwer, und ich weiß, es erfordert viel Stärke, aber ich denke: Ganz grundsätzlich: Wenn ihr irgendetwas tut, wobei ihr sanft, sachlich, informiert, nicht-diskriminierend, mitfühlend und liebevoll seid, und einfach nur versucht, die Welt ein kleines bisschen zu verbessern, und ihr werdet dafür beschimpft, ausgelacht oder beleidigt, dann ist diese Reaktion kein Grund aufzugeben, sondern das Gegenteil. Denn jeder Kommentar, der zeigt, dass es irgendwo noch an Mitgefühl, Vertrauen, Bildung, Liebe, Respekt, Einender-Ernst-Nehmen, Sachlichkeit fehlt, ist nur ein Zeichen dafür, dass es umso wichtiger ist, genau diese Dinge selbst in der Welt zu verbreiten.



Wenn du Liebe verbreitest

und dir Hass begegnet,

dann weißt du, warum es wichtig war Liebe verbreitet zu haben,

und warum die Welt es gebrauchen kann, dass du damit weitermachst.







Quellen:

(7) https://en.wikipedia.org/wiki/Negativity_bias (letzter Zugriff: 10.01.2021)



Fotos:

Privat / SaarVeggies


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